Christiane lädt auf ihrem Irgendwas ist immer-Blog zum Schreiben von Texten mit maximal 300 Wörtern ein, wobei drei Wörter enthalten sein sollen, die vorgegeben werden. Diesmal lauten die drei Wörter:
Pilze – traurig – schlafen.
Hier meine abc-Etüde, die drei Wörter sind kursiv gesetzt:
Fünf Uhr zehn. Er reibt sich übers Kinn. Die Stoppeln knistern leise. Die Kaffeemaschine gluckst.
Er nimmt das Brot aus dem Kasten. Prüft, ob es Schimmelspuren zeigt. Seine Großmutter sagte immer: Hier geht das Brot so schnell weg, da haben nicht mal Pilze Zeit zu wachsen.
Er legt den Laib auf die Schneidemaschine, schneidet drei Scheiben ab.
Wenn seine Großmutter Brot für die sechsköpfige Familie schnitt, klemmte sie den Laib in ihre Armbeuge und schnitt in gleichmäßigen Sägebewegungen mit dem Messer vom Körper weg nach außen. War das Brot frisch und noch nicht angeschnitten, ritzte sie zuerst ein Kreuz in die Brotkruste und murmelte ein paar Dankesworte. Seine Großmutter war eine gläubige Frau. Der Hunger, den sie im Krieg gelitten hatte, ließ sie jedes Lebensmittel mit Sorgfalt und Ehrfurcht behandeln. Traurig, traurig, sagte sie immer, wenn sie sah, dass Lebensmittel weggeworfen wurden.
Die Sommerferien bei der Großmutter im alten Bruchsteinhaus in der Eifel gehören zu den schönsten Erinnerungen an seine Kindheit. Schwalbennester unterm Dachrand, knarrende Holzdielen, der dunkelfeuchte Erdkeller, die Obstbaumwiese und der herrlich unaufgeräumte Geräteschuppen. Draußen zu sein, bis es Zeit wurde zu schlafen. Nur zwischendurch schnell ein Butterbrot holen, um dann wieder im Wald zu verschwinden und Blaubeeren zu sammeln. Die Großmutter, die das Brot schnitt und sagte: Aber nicht weiter als bis zur Fichtenschonung, da sind Wildschweine!
Er schaut auf den Brotlaib, auf die drei im perfektlangweiligen Maschinengleichmaß abgeschnittenen Brotscheiben.
Er zieht die Schublade auf. Da liegt das alte Brotmesser.
Auf dem Weg zur Arbeit wird er die Schneidemaschine am Sozialkaufhaus abgeben. Er will sie nicht einfach wegwerfen. Aber er wird von jetzt an sein Brot von Hand mit dem alten Brotmesser schneiden.
Und er wird beim Anschneiden des Laibs ein Kreuz in die Kruste ritzen. Wie seine Großmutter. Für seine Großmutter.
So hat mich Deine ruhige, besinnliche ABC-Etüde auf Deine Seite geführt und mich die schönen Bilder und die Stimmung Deiner Erinnerungsgeschichte hierher geführt und mich Dich abonnieren lassen. 😉
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Und ich sage: Willkommen hier! 🙂
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Das weckt warme Erinnerungen auf, danke. Brotschneidemaschine haben wir aber auch schon sehr lange nicht mehr.
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Dieses Küchenmaschinenzeugs nimmt so viel Platz weg, ich habe zwar gar nicht so viel, reduziere aber wo eben möglich. 🙂
Glückwunsch übrigens zum Motorroller!
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Danke der Roller ist im Moment meine große Freude und wegen Küchenmaschinen und Platz geb ich dir vollkommen recht. Die Kennwood Major Lifestyle Küchenmaschine steht auch beleidigt im Schuppen direkt neben xer Brotbackmaschine😉
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Vielleicht kannst Du die unbenutzten Geräte ja zum Zweitroller umbauen. 😉
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Super Idee👍
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😉
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Oh, der Text hat mich so berührt! Und sofort sah ich meine eigene Großmutter genau dasselbe tun und auch meine Mutter,…. 💗🌹
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Ein schöner Brauch ist es, finde ich. 🙂
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Oh ja.
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Du hast recht: Ich sehe meine Großmutter auch noch mit dem Messer Brot schneiden, vor die Brust geklemmt, aber nicht von ihr weg 😉 … Ich durfte das selbstverständlich nicht nachmachen 😁
Ich schneide mein Brot auch mit der Hand. Mit dem Messer, das vermutlich so alt ist wie ich. Aber auf einem Brett.
Schön, dass du wieder dabei bist, liebe Anna, ich freue mich sehr auf deine zauberhaften hellsichtigen Texte! 😁❤️
Montagmittaggruß 😁🐈🌞🌻👍
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Ich durfte das auch nicht. Heute könnte ich es mir ja erlauben, aber ich ziehe doch auch die Methode mit Schneidebrett vor. Frau braucht die Finger ja noch zum Etüden-Schreiben. 😉
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Und wenn er dann noch das Brot selber backt, wird es richtig köstlich.
Eine stille Geschichte, die zu eigenen Erinnerungen anregt.
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Da bist Du fachkundige Genießerin, wie ich weiß – und manchmal ja auch mit-genießen darf. Schöne Grüße auch an den weltbesten Brotbäcker!
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Er dankt erfreut.
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🙂
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Oh wie schön. Ganz zauberhaft geschrieben.
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Dankeschön! 🙂
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Meine Brote werden ungekreuzt, aber auch schon seit vielen Jahren mit einem ererbten, wenn auch einfachen Messer aufgeschnitten, weil ich es schöner finde. Mich spricht deine Geschichte in mehrfacher Hinsicht an, denn das Kreuz über dem Brot kenne ich von einer inzwischen vertorbenen alten Dame, die noch dazu in ihrer Familie immer die einzige war, die anschneiden durfte.
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Ich wollte meinen Protagonisten zuerst auch ein anderes Symbol als das Kreuz wählen lassen, aber das wäre zu viel Motiv für einen solch kurzen Text gewesen. Und er tut’s ja der Großmutter zu Ehren…
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Es ist ein Brauch und eine Familienerinnerung, das kann man schwer ersetzen.
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Das ist wohl wahr. 🙂
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Meine Oma hatte eine Brotschneidemaschine und ich habe mein Brot schon immer von Hand geschnitten, aber Deine Etüde wirkt auvf mich authentischer als meine Lebenserfahrung 🙂 So schön geschrieben!
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Danke 🙂
Vielleicht wechselt die Nutzung oder Nichtnutzung von Brotschneidegerätschaften generationenweise… 🤔
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Eine wunderschöne Geschichte, vielen Dank dafür. Ich kannte das mit dem Kreuz ins Brot ritzen nicht, und auch nicht, wie man eine Scheibe von sich weg abschneidet. Bei uns gab es eine Brotschneidemaschine zum Ausklappen mit Handkurbel, die ich sehr geliebt habe.
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Achja, an eine solche Kurbelmaschine erinnere ich mich auch noch. Hätte ich fast vergessen, danke dass du meine Erinnerung daran hast wach werden lassen! Was für schöne sympathische Küchengeräte es doch gab…
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Oh ja… da gab es ein paar. Bei der Brotschneidemaschine habe ich bis zuletzt gehört: „Pass auf deine Finger auf!“ Und dann kam sie leider beim Einbau einer neuen Küche in den Brotschneidemaschinenhimmel. 🙂
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Da geht’s ihr nun bestimmt gut und sie ist froh, nicht täglich schneiden zu müssen. 🙂
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Eine schöne Geschichte und ich finde das gezeichnete Brot richtig klasse! Die Sitte mit dem Kreuz kannte ich noch nicht. Ob religiös betrachtet oder nicht, zeigt sie die Wertschätzung für das Brot, ein Innehalten. Bei uns wurde immer von Hand geschnitten. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob meine Uroma das Brot noch unter den Arm klemmte. Da muß ich mal jemanden fragen. Gesehen habe ich es schon irgendwo. Vom Körper weg halte ich allerdings für sehr sinnvoll 😉
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Ja, sinnvoll ist das wohl. 🙂
Und Brot zu zeichnen ist, wie ich festgestellt habe, gar nicht so einfach… Schwieriger jedenfalls als es zu schneiden… 😉
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Unbedingt 🙂
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das Schneiden von Hand mit dem Brotmesser übe ich auch gerade. Man hat ja nicht immer Strom da. Oder eine Schneidemaschine zum Kurbeln.
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Es gibt ja so manches, was von Hand gemacht bewusster wird und ein bisschen entschleunigt. Kaffee von Hand aufgießen statt Kaffeemaschine zum Beispiel. Wobei das Wasser ja mittels Strom erhitzt wird, aber ursprünglicher als mit Kaffeemaschine ist es trotzdem. 🙂
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Eine wunderbare Geschichte aus dem wahren Leben und sehr ergreifend. Die vorgegebenen 3 Wörter sind so geschickt eingebaut, daß sie gar nicht auffallen. Ich mußte sie richtig suchen.
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Danke. 🙂
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Meine Frau mag dickere Scheiben, ich selber dünnere: das läuft alles elektrisch bei uns, obwohl aus der Kindheit kennen wir das Brotschneiden vor der Brust auch, u.z. hin zu ihr. Als Junge habe ich immer gedacht: „Wenn Mama sich bloß mal nicht rein schneidet!“. Hat sie nicht, aber seitdem bevorzuge ich im eigenen Haushalt die Schneidemaschine.
Schöne Erinnerung wach gerufen!
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Wie schön, dass eine alltägliche Handlung wie das Brotschneiden so viele Erinnerungen wachrufen kann. 🙂
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Du hast mit dieser Etüde direkt wunderbare nostalgische Bilder in mir wach gerufen. Danke dafür! 😊
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Das freut mich – danke! 🙂
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sehr schöne Geschichte!
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Dankeschön 🙂
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