Ich habe mich anstecken lassen. Von Erkältungsviren. Was keinen Spaß macht. Und von abc-Etüden-Texten, die ich gelesen habe. Was viel Spaß machte. Christiane lädt auf ihrem Irgendwas ist immer-Blog zum Schreiben von Texten mit maximal 300 Wörtern ein, wobei drei Wörter enthalten sein sollen, die vorgegeben werden. Diesmal stammt die „Wortspende“ vom Blog Red Skies over Paradise und die Wörter lauten:
Unbehaustheit – schwermütig – haschen.
Hier meine abc-Etüde, die drei Wörter sind fett markiert:
Um 15:53 Uhr an einem nebligen Novembernachmittag beschloss sie, ihrer emotionalen Unbehaustheit einen ökologisch adäquaten Raum zu geben. Sie befand sich auf dem Heimweg nach einem Arbeitstag, der ihr das Büro wie eine Orkhöhle hatte erscheinen lassen. Sie war entkommen, tätschelte das Lenkrad ihres Autos, flüsterte „Braaav, Schattenfell…“, mit sehr langgezogenem A im Brav, weil sie vermutete, das dies für das Lob eines Pferdes die angemessene Intonation sei.
Sie parkte ihr Auto auf dem Marktplatz, nah an der alten Gerichtslinde. Die Linde war der Ort, an dem sie in den nächsten Jahren leben, ihre Emotionen frei sich entfalten lassen und zu einer Sphäre höheren Seins aufsteigen würde. Zuerst bedeutete das, die Linde zu besteigen. Sie würde sich auf dem stärksten der Hauptäste niederlassen und die Jahreszeiten emotional befreit durchleben. Sie hatte von einer Katze gelesen, die sechs Jahre auf einem Baum lebte, von den Anwohnern Futter hochgereicht bekam und liebevoll versorgt wurde. Die Katze bekam dreimal Junge auf den Baum. Letzteres plante sie nicht, die Fürsorge der Anwohner sah sie als selbstverständlich gegeben.
Gegen 20 Uhr, der Marktplatz lag verlassen, gelang es ihr in der Dunkelheit ungesehen auf die Linde zu klettern. Auf dem starken Ast fand sie bequem Platz auch für eine Schlafposition. Sie malte sich aus, wie sie von oben Interviews geben würde und die um den Lindenstamm sich scharenden Reporter sie in Blitzlichtgewitter hüllten, begierig, jedes Wort von ihr zu erhaschen.
Gegen 22 Uhr hatte sie einen Businessplan erdacht, wie sie gesponsort von Outdoorequipmentherstellern, die ihr Kleidung, Schlafsäcke und anderes Material zu Werbezwecken zur Verfügung stellen würden, ihren Baumaufenthalt und eine komfortable Altersrente finanziell absichern würde.
Um 22:23 Uhr begann es zu regnen. Um 22:47 begann sie den Abstieg von der Linde. Um 23:32 schob sie eine Tiefkühlpizza in den Ofen.
Nicht ohne schwermütig zu seufzen.
Gute Besserung!
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Lieben Dank, Brigitte.
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Die Umstände kamen ihr eben nicht entgegen. Nächstes Mal wird sie vielleicht funktionieren – diese oder eine andere Flucht.
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Hätte sie das Projekt im Mai oder Juni begonnen, wäre es möglicherweise erfolgreicher verlaufen. 🙂
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Schräge Geschichte. Kicher …
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😉
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Es ist halt zu oft wie im wahren Leben. Hochmotiviert begonnen, dann leider von allen übersehen in der neuen Umgebung, die sich als Unbehaustheit entpuppt. Keine Baummitbewohner um Haschen zu spielen, da wird man schneller schwermütig, als die TK-Pizza braucht um wieder schwarz zu werden. Was zum neuen Seufzen führt.
Dafür führt Dein Text zum KoKi, was doch ein breites Grinsen zaubert!
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Sofern mein Text einem Grinsen Behausung gab, brauche ich ja nicht schwermütig zu werden, sondern ich kann später frohgemut mit der Kamera los, um noch ein paar schöne Augenblicksaufnahmen zu erhaschen.
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HAHAHA, ja es nützt nichts, im Ausbeuten anderer sind Katzen einfach besser. Sicher wechselte sich das Betreuungspersonal der Katze mit Regenschirmen Tag und Nacht ab.
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Ja, natürlich. Was sonst…? 😉
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Großartig!!! Willkommen bei den Etüden-Verrückten, falls du diesen Virus nun auch noch abbekommen hast! 🙂 Den musst du auch nicht ausrotten, der will nur spielen!
Ich hätte da ein paar Anmerkungen.
1. Autos lieben dieses „aaaaa“, das kann ich bestätigen. Gerade kleine Autos fühlen sich dann außerordentlich bestärkt.
2. Wir haben den gleichen Katzenkalender. Das hat mich auch sehr beeindruckt, allerdings habe ich mich die ganze Zeit gefragt, wie die Katze (und damit dann auch die Frau in deiner Etüde) das Toilettenproblem gelöst hat (lösen würde). Und auch in anderen Hygieneangelegenheiten sind Katzen eindeutig bevorzugt.
Allerdings ist hier nicht Buenos Aires, und damit beende ich das Nachdenken über das Wetter, das deine Protagonistin dann ja auch ganz schnell wieder auf den sogenannten Boden der Tatsachen geführt hat.
3. Ich kann den Impuls (siehe „Orkhöhle“) sosososososososo GUT! verstehen.
Vielen Dank für deine Etüde, ich kann nur hoffen, dass du im neuen Jahr wieder mit dabei bist, denn im Dezember sind ja erst mal die Adventüden dran. Bis dahin könntest du allerdings noch … 😉
Sei sehr herzlich gegrüßt, ich freue mich sehr!
Liebe Grüße
Christiane
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Achja, gut dass wir drüber sprechen, ich muss noch den Kalender fürs nächste Jahr bestellen… Ohne geht ja nicht in einem kultivierten Haushalt mit Katern.
Wie die Adventüden funktionieren, darauf bin ich gespannt, und ich könnte mir vorstellen… jaja… durchaus… 🙂
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Wenn wir so was (die Adventüden) noch mal machen sollten, kannst du ganz sicher mitmachen, aber dieses Mal nicht mehr, die Tage sind voll, der Adventskalender ist bestückt und der Countdown läuft …
Die regulären Etüden setzen im Januar wieder ein.
Liebe Grüße
Christiane
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Ah, da bin ich mal sehr gespannt auf die Adventüden und freue mich… 🙂 Und eine schöne Perspektive für den nächstjährlichen Advent habe ich dann ja auch schon. 🙂
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Oh, und der Kalender fürs nächste Jahr ist wieder wie gewohnt zauberhaft, ich gehe mal davon aus, dass du ihn auch jedes Jahr hast … 🙂
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Nur in einem Jahr nicht. Da hatte ich einen Eulenkalender. Aber der war nicht annähernd so charmant. Und es tat mir nachher leid. es fehlt dann einfach etwas.
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So viele schöne Unvorhersehbarkeiten – finde ich super!
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Dankeschön. Machte Spaß. Danke auch für’s „Textschreib-Anstecken“.
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Manchmal ist ein Virus auch ein nettes 🙂
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Offensichtlich. 🙂
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Deine Etüde ist super! Ich rede immer mit meinem Autochen, leise, dunkle Töne mag es am Liebsten. Und Orkhöhle, wunderbar, ich bin so froh, dass ich erst nächste Woche wieder da hin muss. Jetzt hab ich einen treffenden Namen für diesen Ort…
Ansonsten kann ich deine Protagonistin sooo gut verstehen. Manchmal geht es mir genau so. Ein paar kleine Unwägbarkeiten, und schon sind alle Pläne über den Haufen geworfen… seufz.
Liebe Grüße und gute Besserung für dich,
Hummel
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Dankeschön. 🙂 Ja, ein Auto möchte auch wertgeschätzt werden. Ich finde, je mehr Wertschätzung man auch und gerade Gebrauchsgegenständen entgegenbringt, umso besser geht es – beiden Seiten…
Dann wünsche ich Dir noch eine gute orkfreie Zeit. Und wenn Du Deine Orkhöhle wieder aufsuchen musst, dann starke Nerven und Gelassenheit.
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Ich bewundere deinen Einfallsreichtum! Vielleicht klappt es ein anderes Mal mit ausgeklügelter Planung.
Gute Besserung für dich und vitaminöse Grüße,
Anna-Lena
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Danke. 🙂 Manche Projekte sollte man besser im Frühling starten als im Herbst… 😉
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Grossartig!
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Dankeschön. Hat Spaß gemacht. 🙂
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Gute Besserung!
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Vielen Dank! 🙂
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Ist zwar schon etwas älter, der Artikel, aber es dürfte wohl heute noch so sein:
https://www.autoflotte.de/nachrichten/artikel/die-beliebtesten-kosenamen-fuer-autos-966388.html
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So gehört die Protagonistin wohl zu den kreativen 12% 😉 . Danke für den aufschlussreichen Artikel. 🙂
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Genial, die Geschichte 🙂 !!! Ich hoffe, du bist auf dem Wege der Besserung!
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Danke. Und es geht besser, ja. 🙂
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Schön 🙂
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Toll. Ich musste sehr lachen. Ja, manchmal hat Mal so viel Tatendrang und dann regnet es einfach. 🙂
Grüße, Katharina
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Ja, so kann’s gehen… 😉
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